Supplement to Newsletter. Issue 2003-9. Feb. 28, 2003
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25 February 2003

Sextourismus - Indien wehrt sich gegen die Kinderschänder.

Von u Peter Isenegger, Panjim und Bild Reuters.

German

Indien hat dem Missbrauch von Kindern durch Touristen den Kampf angesagt. Besonders aktiv sind Behörden und Hilfsorganisationen in Goa, das als «Traumdestination» für Pädophile gilt.

Eigentlich wollte der Geschäftsmann aus Europa auf seinem Zwischenhalt in Bombay (Mumbai) bei einem Spaziergang am Juhu Beach nur etwas frische Luft schnappen. Doch kaum aus seinem Hotel getreten, wurde er umringt von einer ganzen Horde von Kindern in verschlissenen, schmutzigen Kleidern, die ihn immer wieder am Ärmel zupften und ein Bakschisch verlangten. Die Kinder liessen sich nicht abwimmeln: weder durch eine freundliche Aufforderung noch durch einen gestrengeren Ton. Der Fremde war denn auch erleichtert, als ein gut gekleideter Inder auf ihn zutrat und die Kinder mit knappen Worten anwies, den Ausländer allein zu lassen. Allein blieb er allerdings nicht. Jetzt nämlich begann der gut gekleidete Inder an seinem Ärmel zu zupfen: «Möchten Sie ein junges Mädchen? Ein sehr junges Mädchen. Garantiert nicht älter als acht oder zehn Jahre?» Der Geschäftsmann, der nichts anderes wollte, als am Juhu Beach Luft schnappen, blieb angewidert stehen und forderte den Mann auf, ihn in Ruhe zu lassen. Doch der gut gekleidete Inder stand in Sachen Hartnäckigkeit den in Lumpen gehüllten Bettlern in nichts nach: «Ach so, Sie möchten lieber einen jungen Knaben, auch den kann ich Ihnen besorgen.»

Der Polizei melden

Daraufhin wurde der harmlose Spaziergänger ziemlich laut, und erst jetzt wich der junge Mann von seiner Seite. Ein paar Meter weiter wurde der Europäer von einem Händler angesprochen. «Seien Sie vorsichtig», raunte er dem Fremden zu, «der Mann, der Sie eben angesprochen hat, ist ein Polizist in Zivil.» Wäre dieser Geschäftsmann nach Goa weitergeflogen, dann hätte er vielleicht an der Wand der Ankunftshalle im Flughafen Dabolim ein Plakat entdeckt. Ein Plakat mit einer «Botschaft von Goas Kindern». «Lieber Tourist, geniessen Sie Sonne, Sand und Meer und helfen Sie uns, Goa von Pädophilen freizuhalten» steht auf dem mit einer Kinderzeichnung geschmückten Plakat, das die Touristen auch auffordert, «verdächtiges Verhalten der Polizei zu melden». Der Polizist in Zivil und die Plakate in Goa sind die jüngsten Waffen im Kampf Indiens gegen die Sextouristen. Und für die Soziologin Nishtha Desai, Leiterin des Kinderhilfswerks Children's Rights in Goa (CRG), hat dieser Kampf «keinen Moment zu früh» eingesetzt. Es sei schwierig, das Problem zu quantifizieren, meint Nishtha Desai. Sie schätzt, dass sich während der Touristensaison, die in Goa von Anfang November bis April dauert, «mindestens hundert Pädophile in unserem kleinen Bundesstaat herumtreiben».

Strassenkinder

Bis Mitte der Neunzigerjahre und obwohl zu dieser Zeit Goa in pädophilen Kreisen längst als «Traumdestination» galt und als solche im Internet angepriesen wurde, sprach kaum jemand in Goa offen über dieses Problem. «Das mochte seine Gründe darin haben», meint die Soziologin Nishtha Desai, «dass die meisten Opfer nicht einheimische Kinder waren, sondern die Kinder armer Wanderarbeiter aus dem benachbarten Bundesstaat Karnataka oder aus dem weiter entfernten Rajasthan, welche hofften, während der Touristensaison in Goa Arbeit und ein Auskommen zu finden.» Es sind denn auch diese Strassenkinder und die jugendlichen Strandverkäufer, die am meisten der Gefahr sexueller Ausbeutung ausgesetzt sind. Mit kleinen Geschenken, mit Geld oder neuen Kleidern werden die Kinder von den Pädophilen in ihr Hotelzimmer oder ihre Wohnung gelockt.

Aufklärungsarbeit

Mitte der Neunzigerjahre rückte das Pädophilenproblem schlagartig ins Bewusstsein der Bevölkerung Goas. Damals wurde der 76-jährige Angloinder Freddy Peat zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Peat, ein respektierter Mann, führte in Goa ein Kinderheim. In Tat und Wahrheit missbrauchte der pädophil veranlagte Peat die ihm anvertrauten Kinder sexuell und vermittelte gegen Bezahlung Kinder an pädophile Touristen. Freddy Peat ist einer der wenigen Pädophilen, die in Goa im Gefängnis sitzen. Gegen mehrere andere wurden Untersuchungen eingeleitet. In den meisten Fällen schafften es die Beschuldigten aber, sich vor ihrer Festnahme abzusetzen oder nach abgeschlossener Untersuchung gegen Kaution freizukommen und dann das Land heimlich zu verlassen. Die Plakataktion, welche sich an die Touristen richtet, ist nur Teil eines ganzen Programms, mit welchem Nishtha Desais Organisation den pädophilen Sextourismus von Goa fern halten will. Children's Rights in Goa (CRG) führt Seminare und Workshops mit der Bevölkerung durch, um die Eltern auf das Problem aufmerksam zu machen. CRG gründete auch Tagesschulen für die Kinder von Wanderarbeitern, wo die Schüler auf die Gefahren des sexuellen Missbrauchs hingewiesen werden. Schliesslich arbeitet die Organisation eng mit der Polizei zusammen, um auch bei den Ordnungshütern das Bewusstsein zu schaffen, dass Kindsmissbrauch durch Touristen in Goa ein Problem ist, das – genauso wie etwa der Drogenmissbrauch – die Aufmerksamkeit der Polizei erfordert. Die Soziologin Nishtha Desai ist überzeugt, dass ihre Arbeit beginnt, Früchte zu tragen: «Durch unsere Kampagne ist dieses Problem ins Bewusstsein der Bevölkerung und der Touristen gerückt. Mitbürgerinnen und Touristen sind sensibilisiert und melden auch regelmässig auffälliges Verhalten von Touristen oder stellen Verdächtige direkt zur Rede.»

Verunsicherte Touristen

«Dass die Kampagne Früchte trägt, wissen wir auch aus einem anderen Grund», sagt Nishtha Desai. «Von verschiedener Seite ist uns zugetragen worden, dass viele völlig harmlose Touristen, die ein Herz für Kinder haben, sich nicht mehr getrauen, einheimische Kinder zu einem Eis oder zu einer Mahlzeit in eine der vielen Strandkneipen einzuladen.» Das mag zwar für die harmlosen Touristen und die Kinder schmerzlich sein. «Aber», so glaubt Nishtha Desai, «wenn dadurch auch nur ein Kind vor sexuellem Missbrauch verschont wird, dann ist dieser Preis nicht zu hoch.» Wirklich zufrieden allerdings kann Nishtha Desai erst dann sein, wenn die einschlägigen Internetwebseiten Goa nicht mehr als «Traumdestination» anbieten, sondern Pädophilen explizit vom Besuch Goas abraten.

«Lieber Tourist, geniessen Sie Sonne, Sand und Meer und helfen Sie uns, Goa von Pädophilen freizuhalten.»

Jugendliche demonstrieren gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern.

«Die meisten Opfer sind Kinder armer Wanderarbeiter.»


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